Freitag, 22. Juli 2011

Ein paar Gedanken zu "Bring Your Own Computer / Device" (BYOC/D)

Guten Morgen,
aktuell beteilige ich mich an einer Diskussion im LanLine-Forum bzgl. des Konzeptes von "Bring Your Own Computer / Device". Aus Gründen der Lesbarkeit im Diskussionsverlauf habe ich meinen Beitrag für das Forum gekürzt und möchte an dieser Stelle den originalen, ungekürzten Text bereistellen. Feedback ist natürlich willkommen, sowohl hier als auch im LanLine-Forum (LanLine-Forum: Diskussion über BYO(C/D). Hier nun der originale Text:
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Ist das Konzept sinnvoll? Nicht für alles und jeden (in der IT gibt es meines Erachtens kein „One Size fits all“), aber es gibt durchaus einige Anwendungsfälle. Ich denke da z.B. an Einrichtungen im Umfeld von Forschung und Lehre, aber auch an Unternehmen bzw. Unternehmensbereiche mit einer Projektorganisation. Überall, wo eine hohe Dynamik gefordert ist oder wo es darum geht, schnell Ergebnisse zu erzielen, stoßen die IT-Abteilungen mit ihren zum Teil aufwändigen Prozessen oft an ihre Grenzen. Dies bremst im schlimmsten Fall die Entwicklung von Unternehmen. Wollen die IT-Abteilungen aber ihre Relevanz behalten, müssen Sie ihr Verhalten ändern: Von „Nein, dass entspricht nicht unseren Standards“ hin zu „Ja, wir machen das möglich (unter folgenden Bedingungen)“. Wenn Sie das nicht tun, werden die Mitarbeiter Wege und Möglichkeiten finden, die Richtlinien der IT-Abteilungen zu umgehen z.B. durch Nutzung von Cloud-basierten Diensten / Angeboten.

Wer sind die Nutzer eines solchen Konzeptes: Zunächst mit Sicherheit die technikbegeisterten „Nerds“, wie es ein Vorredner so schön formuliert hat. Dazu kommen aus meiner Sicht noch die Management-Funktionen und sämtliche Nachwuchsführungskräfte, die sogenannten High-Potentials. Aber warum genau diese Gruppen? Weil diese Gruppen einfache Lösungen bevorzugen: Das Instant-On-Erlebnis von iPad und Co. schlägt kein Laptop / Netbook mit installiertem Windows. Die neuen Geräte sind klein und leicht, haben extrem lange Akkulaufzeiten und eine Usability, die ebenfalls nicht zu schlagen ist. Sie sind somit z.B. auch ideal für Studenten geeignet, die damit ihre Vorlesungen protokollieren können. Es bleibt also festzuhalten, dass die Generation, die heute in das Berufsleben eintritt, den täglichen Umgang mit dieser Art von Geräten gewöhnt ist. Warum soll ich mir als Unternehmen die Arbeit machen, die Benutzer umzugewöhnen? Warum ermögliche ich es den Benutzern nicht einfach, so zu arbeiten, wie Sie es aus Ihrer Freizeit kennen? Kommt ihnen dieses Szenario auch bekannt vor? Ich meine ich zu erinnern, dass ein Produkt namens „Windows“ genau diesem Effekt seinen Siegeszug in Unternehmen zu verdanken hat.

Werden rechtliche Hürden BYO(C/D) aufhalten: Definitiv nein! Das Konzept beschreibt aus meiner Sicht den Wunsch der Mitarbeiter nach mehr Flexibilität im Arbeitsalltag. Das ist für die Mitarbeiter doch etwas extrem positives, genauso wie Home-Offices, private Nutzung dienstlicher Mobiltelefone, Arbeitszeitkonten, Dienstwagen, private Nutzung von Flugmeilen, etc. All das ist heute Standard in Unternehmen, weil die Mitarbeiter nach solchen Lösungen verlangen. Und genauso werden BYO(C/D)-Konzepte in den nächsten Jahren Standard werden, egal welche rechtlichen Hürden dafür zu nehmen sind.

Wird BYO(C/D) der neue Standard für Unternehmen sein: Ebenfalls definitiv nein! Das Konzept ist eine Ergänzung zu bestehenden Lösungen in Unternehmen für eine ganz bestimmte Benutzergruppe. Für Task-Worker sind andere Lösungen definitiv sinnvoller.

Ist das Konzept heute bereits technisch umsetzbar: Defintiv ja, die Techniken sind alle vorhanden und im täglichen Alltag bereits erprobt! Die Basis dafür haben die meisten Unternehmen sogar bereits aktiv im Einsatz, nämlich eine Virtualisierungs-Infrastruktur. : Ergänzt man das Ganze nun noch um Appliaktions-Virtualisierung, schnelle und intelligente Provisioning-Verfahren, ein User Environment-Management, neue Sicherheitstechnologien und passt seine IT-Prozesse an, erhält man irgendwann eine Infrastruktur, die BYO(C/D) ermöglicht . Und jetzt im Ernst: Wie würde ein IT-Berater spontan auf die Frage antworten: „It depends“. Es hängt nämlich tatsächlich davon ab, was das Unternehmen bzw. die IT-Abteilung eigentlich genau erreichen will. Will es nur für eine kleine Handvoll Mitarbeiter die Nutzung von privaten Endgeräten ermöglich, gestaltet sich das Ganze zumeist nicht so schwierig / aufwändig. Will er aber seine gesamte Infrastruktur dynamischer gestalten und den wachsenden Ansprüchen von Mitarbeitern und Unternehmensführung auch in Zukunft gerecht werden, so sind die Anpassungen zumeist deutlich aufwändiger.

Was für Kosten entstehen: Wie bereits in dem Punkt zuvor gilt: „It depends“. Für fundamentale Änderungen an Infrastruktur und Prozessen entstehen natürlich zunächst auch hohe Investitionskosten. Wenn man es dann aber „richtig“ macht, können die operativen Kosten mittlel- bzw. langfristig zumeist deutlich gesenkt werden. Man denke nur mal an die Einsparpotenziale bei Stromkosten: Wer schaltet denn heute seinen stationären Rechner am Arbeitsplatz im Unternehmen noch aus?

Fazit: Ist BYO(C/D) für mich ein essentieller Treiber zur Veränderung der IT-Landschaft in Unternehmen. Ein klares JEIN? Wie bereits gesagt gibt es viele Unternehmen, die dadurch sehr viel „gewinnen“ können. Des Weiteren kann das Konzept eine Möglichkeit darstellen, sich vom Mitbewerb zu differenzieren, z.B. wenn es um die Akquise neuer Mitarbeiter geht. Denn wenn man diversen Zeitungsberichten und Studien Glauben schenken darf, ist der „Krieg“ um die High-Potentials ja schon entbrannt. Auf der anderen Seite wird es mit Sicherheit genauso viele Unternehmen geben, für die BYO(C/D) aktuell (und vielleicht auch in Zukunft) gar nicht in Frage kommt. Als Consultant kann ich mich eigentlich nur wiederholen und sagen: It depends.
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Viele Grüße und ein schönes Wochenende,

Jörn

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